Hallo liebe Fans, Freunde und Familie,
was für eine Woche! Diese stand ganz im Zeichen des Scrutineerings und Qualifyings, also den Prüfungen, die unsere Zulassung und Startposition für das Rennen entscheiden. Wir haben so lange auf diesen Moment, unser großes Abenteuer in Australien, hingearbeitet, da machen wir selbstverständlich nicht auf der Zielgeraden schlapp. So wurde wie immer die ein oder andere Nachtschicht geschoben, letzte Details an unserem Huawei Sonnenwagen optimiert und langsam wurde wirklich allen bewusst: Wir sind gerade in Australien, wenige Tage vor dem Rennen, und jetzt wird es erst richtig ernst!
Das Scrutineering ist die erste offizielle Herausforderung bei der Bridgestone World Solar Challenge. Bei dieser Inspektion wird überprüft, ob alle Vorgaben an Elektrik und Mechanik aus dem über 40 Seiten langen Regelwerk eingehalten wurden. Dass diese Prüfung kein Kindergeburtstag wird, war uns natürlich schon immer klar, wurde uns bereits ein Tag vorher aber noch deutlicher bewusst. Am Vortag schafften es nämlich nicht alle der 15 Teams die endgültige Abnahme. Für diese hieß es: Zurück in die Werkstatt und nachbessern. Bei sicherheitsrelevanten Bauteilen, die nicht nachgebessert werden können, drohte sogar der Rennausschluss. Im Team war die Anspannung vor dem Scrutineering groß. Keiner hatte Lust auf eine weitere Nachtschicht in der Werkstatt. Als Neulinge hatten wir die Vorgaben sehr ernst genommen und bei allen Konstruktionsarbeiten im Hinterkopf behalten. Bei kritischen Entscheidungen hatten wir stets die sichere Alternative gewählt, auch wenn dies ein höheres Gewicht bedeutete.
Das hat sich ausgezahlt. Die Offiziellen waren begeistert von unserem robusten und sicheren Wagen. An fast allen Stationen gab es grüne Punkte für uns. Lediglich die Positionen des Sitzes und des GPS-Trackers mussten um wenige Zentimeter korrigiert werden. Diese kleinen Arbeiten konnten wir selbstverständlich direkt vor Ort vornehmen. Damit war das Static Scrutineering bestanden und die Stimmung im Team oben auf. Mit dem tollen Abschneiden sind wir den hohen Erwartungen, die an uns als „German Engineers“ gestellt wurden, gerecht worden.
Das Scrutineering war auch eine tolle Gelegenheit, um die Fahrzeuge der Konkurrenz zu beobachten und sich mit den anderen Teams auszutauschen. Man erfährt, wer welche Probleme hatte und wie man am besten damit umgeht. Die weltweite Solarfahrzeug-Community ist eine offene und freundliche Gemeinschaft. Für unser Premierenfahrzeug gab es viel Lob von den anderen Teams und man freut sich auf den neuen Wettbewerber. Unsere Einschätzung nach dem Vergleichen mit den Wettbewerbern: Wir sind zwar noch nicht auf einem Level mit den Top-Teams, aber wir sind nah dran.
Als nächstes stand das Dynamic Scrutineering und das Qualifying an. Beim Dynamic Scrutineering muss das Fahrzeug in einer vorgegebenen Zeit verschiedene Hütchen-Parcours absolvieren und einen Bremstest bestehen. Gelingt dies nicht, drohten Strafminuten. Die geforderten 18 Sekunden unterboten wir mit 15,41 Sekunden locker. Christoph ist sich sogar sicher, dass er noch deutlich schneller hätte fahren können, wenn die Offiziellen uns nicht bereits das „Pass“ gegeben hätten. Auch den anschließenden Bremstest bestanden wir mit Bravour! Damit ging es zum ersten eigentlichen Rennevent, dem Qualifying.
Das Qualifying bestimmt traditionell die Startreihenfolge. Wer die schnellste Rennrunde auf dem Hidden Valley Racetrack fährt, darf als Erster starten. Die Rennzeit beginnt dabei mit Abfahrt des ersten Solarfahrzeugs, eine schlechte Position kann also bereits eine Rennzeit von über einer Stunde bedeuten, ohne einen Kilometer zurückgelegt zu haben. Bei der Rennrunde muss der Fahrer den Spagat zwischen Zeit und Risiko schaffen, weil unser Solarfahrzeug nicht für die Beschleunigungen und Kurven eines Hochgeschwindigkeitsrennens ausgelegt ist. Wir trieben unseren Elektromotor trotzdem an seine Leistungsgrenze! Mit stolzen 2 Minuten und 15,9 Sekunden fuhren wir die fünftbeste Zeit auf dem 2,87 Kilometer langen Hidden Valley Raceway und konnten so den anderen Teams zeigen, dass mit uns bei dieser Challenge zu rechnen ist!
Morgen beginnt endlich das Rennen, auf das wir und die internationalen Teams zwei Jahre lang hingefiebert haben. In der brennenden Hitze des australischen Outbacks gilt es, die verfügbare Sonnenstrahlung effizient zu nutzen, um die 3022 km von Darwin nach Adelaide möglichst schnell zurückzulegen. Zu den Gefahren auf der langen Strecke gilt neben Hitze, Müdigkeit und der lokalen Fauna auch Roadtrains. Eine weitere Herausforderung stellt die Versorgung und Unterbringung unseres 38-köpfigen Teams dar. Am Ende jedes 9-stündigen Renntages muss von einem Teil der Gruppe während der verbleibenden Sonnenstunden ein Camp mit Zelten und Küche aufgebaut und gekocht werden, während der andere Teil das Fahrzeug für den nächsten Renntag vorbereitet. Unser Abenteuer beginnt!