Ross Brawn hat über die Formula Student gesagt: "There are two really innovative forms of motorsport left:
Formula One and Formula Student." Ross Brawn, das ist im Motorsport ein durchaus nicht unbekannter Name - umso
interessanter ist selbstverständlich so eine Aussage. Die Anerkennung solcher Größen des Sports macht mich
noch stolzer, dass ich in der vergangenen Saison ein Team führen durfte, auf dessen Leistungen ich sehr stolz
bin: municHMotorsport, das Team der Hochschule München. Heute möchte ich Ihnen einen kleinen Einblick
gewähren, wie so eine Saison für uns abläuft, welche Schritte dabei wichtig sind und warum die Unterstützung
durch Firmen wie farnell so extrem wichtig für uns, aber auch das Projekt Formula Student allgemein sind.
Jede Saison beginnt im September mit den ganz einfach Dingen: Das neue Team, das in den vorhergehenden
Wochen bereits begonnen hat, sich zu formieren, muss sich in den Räumlichkeiten einrichten und die Aufgaben
klar vergeben. Dabei ist wichtig, dass gemeinsam Teamziele festgelegt und technischen Ziele für die anstehende
Saison definiert und klar kommuniziert werden. Es können nur dann alle an einem Strang ziehen, wenn ihn alle
kennen. Die technischen Ziele sind natürlich ein wichtiger Knackpunkt: Was jetzt entschieden wird, ist in
großen Teilen unumkehrbar. Die Heransgehensweise wird deshalb so objektiv gestaltet wie möglich, mit allen
Analysen und Matrizen, die man auch in der freien Wirtschaft hinterher wiederfindet.
In dieser Phase steht auch die ersten Elemente der Ressourcenbeschaffung an. Die Sponsoren werden auf
unterschiedlichen Wegen über den Ausgang der Saison informiert und auf die kommende Saison eingestimmt.
Außerdem ist der Kontakt zur Hochschule natürlich sehr wichtig: Bald beginnt das neue Semester, da wollen wir
von vorneherein gut mit unseren Professoren zusammenarbeiten - sowohl fachlich als auch wenn es um das
Recruiting neuer Mitglieder geht! Die gilt es nämlich ins Team zu holen, sobald das neue Semester beginnt, um
den jedes Jahr großen Anteil an ausscheidenden Mitgliedern ausgleichen zu können. Und so geht es im Oktober in
erster Linie um die Ressourcen und wie sie eingesetzt werden. Es wird entworfen, konstruiert und simuliert,
dass die Laptops glühen - gleichzeitig vertritt die Marketingabteilung das Team auf Messen, bei Sponsoren und
vor dem neuen motivierten Personal, den Teammitgliedern von Morgen.
Im November ist die Konzeption dann beendet und die Ressourcen beschafft. Hier kommen Firmen wie Farnell ins
Spiel, ohne die das Projekt Formula Student nicht möglich wäre. Sie versorgen uns mit den Teilen, die wir für
unsere Fahrzeuge brauchen und ohne die es nicht ginge, denn um alles zu kaufen reichen unsere bescheidenen
Mittel bei weitem nicht aus. Im Folgenden hat einer der zukünftigen Ingenieure, der intensiv an der
Elektrik/Elektronik des elektrisch angetriebenen Fahrzeugs arbeitet ist, zusammengetragen, wo überall Teile im
Auto verbaut werden, die uns von der Firma Farnell zur Verfügung gestellt werden.
Unsere S-Box
"Vielen Dank an Farnell für das Sponsoring zahlreicher Bauteile, wie SMD - Widerstände, Kondensatoren und
LED‘s. Diese verwenden wir zum einen in unserem Hochvoltakkumulator für die Schaltbox (S-Box), welche eine
elektronische Schaltung ist, die über Freigabe zur Aktivierung des Hochvoltsystems durch die Relais und die
Vorladeschaltungen entscheidet. Es werden über die S-Box sicherheitsrelevante Funktionen miteinander
verbunden, wie die Relais mit der Leistungselektronik, den Battery Management System, der Isolationsplatine
und dem Shutdown Circuit.
Außerdem steuert diese das Tractive System Active Light, das TSAL wird durch drei Ereignisse aktiviert. Zum
einen mit Messung einer bestimmten Schwellspannung an beiden Hochvolt-Ausgängen oder der Aktivierung einer
Relais-Ansteuerung der Schaltlogik auf der S-Box, welche über die Aktivierung der Relais entscheidet. Die
letzte Methode wobei sich das TSAL aktiviert ist, dass ein geschlossener Kontakt eines Relais.
Die S-Box besteht wiederum aus dem S-Box Master, welche eine zentrale Schnittstelle zwischen den übrigen
S-Box-Komponenten und der Steuerung im Fahrzeug ist. Als weiteres Bauteil der S-Box in der wir diverse Teile
von Farnell verbauen, ist der Slave, dieser schaltet beide Relais im Akku, der Precharge Circuit, welcher
zur Vorladung des Zwischenkreiskondensators dient, und damit dieser nach Abschalten des Hochvoltsystems
wieder entladen werden, den Discharge Circuit.
Zudem beinhaltet diese das BSPD (Brake System Plausibility Device), welches sicherstellt, dass eine
Leistungsabgabe an die Motoren und die starke Betätigung der Bremse nach einer gewissen Zeit zu einer
Deaktivierung des Tractive Systems führt. Mit dem HV-on Test wird die Schaltung und die Hochvoltausgänge
Überwacht, liegt eine Spannung von 20 Volt und mehr an, wird an einem Container angebrachte Warnleuchte
aktiviert, wozu wir die LED’s von Farnell verwenden.
Durch die Unterstützung von Farnell haben wir auch unser Battery Mangement System - kurz BMS, das für die
Überwachung des Akkupacks und jeder einzelnen Zelle da ist mit den erforderlichen Bauteilen bestückt. Es
zeigt die aktuelle Spannung, den Stromfluss und den Ladezustand an, außerdem kann es mit der Funktion
„Balancen“ die einzelnen Zellspannungen ausgleichen und somit für einen gleichmäßigen Stromfluss sorgen.
Die Hauptfunktionen des BMS sind die Spannungsüberwachung, Stromüberwachung und die Temperaturüberwachung
der Zellen. Dabei werden Zellspannungen, die zu-oder abfließenden Ströme und ein Teil der Zelltemperaturen
überwacht, wobei bei zu hoher oder niedriger Spannung eine Fehlermeldung ausgelöst wird um die Zellen zu
schützen.
Vielen Dank für die Unterstützung unseres Teams und auf eine noch bessere Partnerschaft."
Unser HV-Akku
An Weihnachten ist dann das erste Kapitel der Saison, die Konstruktionsphase, abgeschlossen und die Teile der
Fahrzeuge größtenteils in Fertigung gegeben. Mit einer im kleinen Kreis gehaltenen Weihnachtsfeier lassen wir
das Jahr ausklingen, in dem Wissen, dass in unserem Zeitplan jetzt Mitte Februar ist: Bis dahin werden
Klausuren geschrieben und die Arbeit an den Fahrzeugen muss daher zurückstecken. Leider, wird so mancher
sagen, aber schließlich sollen die Mitglieder ja mit einem Abschluss in der Tasche aus dem Team ausscheiden.
Ist die Schreibtischzeit beendet, geht es dann wieder mit voller Kraft voraus. Das Ziel liegt schon nah: In
nur zwei Monaten, Mitte April, beginnt der "Rollout-Monat" - das ist der Zeitraum von Mitte April bis Mitte
Mai, je nach Umfang der technischen Neuerungen, in den die Enthüllung und damit auch Fertigstellung der
Fahrzeuge fällt. Der Termin steht Mitte Februar schon fest und jedem ist es bewusst: Je später der Rollout,
desto mehr Testtage verlieren wir. Jeder verlorene Testtag tut weh, denn jeder verlorene Testtag schmälert die
Chance auf ein Ergebnis, das die viele Arbeit ein ganzes Jahr über rechtfertigt und alle zufriedenstellt.
Der Rollout ist dann auch ein dementsprechend großes Event. Bei den Rollouts von municHMotorsport rechnet man
mittlerweile mit rund 800 Gästen. Sponsoren, Professoren und Dekane, Eltern, Freunde - alle sehen hier, wofür
und woran man arbeitet, lernen die Leute kennen, mit denen man seine Zeit verbringt und mit denen man diese
einzigartige Erfahrung teilt. Vielen wird hier zum ersten Mal bewusst, welche Dimension dieses Projekt hat und
mit wie unglaublich viel Herzblut die jungen Studenten hier bei der Sache sind. Auch die großen Medien -
Süddeutsche Zeitung, SpiegelTV Wissen = haben mittlerweile ihren Weg zu den Teams gefunden und bringen einem
wachsenden Publikum die letzte Bastion des sportlichen Gedankens im Ingenieurswettbewerb nahe.
Natürlich ist mit der großen Party noch lange nicht alles vorbei. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es
direkt weiter. Die Fahrzeuge wollen getestet, Fehler wollen gefunden und aussortiert werden. Motor, Fahrwerk,
Aero, Software - um diese komplexe Einheit möglichst schnell um die Kurven zu schicken, bedarf es jeder Menge
Abstimmungsarbeit. Es wird zwar schon simuliert, was das Zeug hält, aber für den Feinschliff müssen diejenigen
ran, die die Autos auch bei den Wettbewerben fahren werden: unsere Fahrer.
Diese finden sich jedes Jahr aus den Reihen des Teams. Sie durchlaufen einen Auswahlprozess in mehreren
Schritten und müssen in erster Linie verfügbar, verlässlich und natürlich schnell sein. Das bedeutet aber,
dass ein Fahrer bei fast jedem der 30 Testtage anwesend sein muss, die das Team einplant. Kein leichter Job,
wenn man überlegt, dass ja Uni ist und die Wettbewerbe genau in den Zeitraum nach der Klausurenphase fallen -
ideal quasi, um Klausuren zu versemmeln. Zum Glück gibt es die ausgiebige Klausurenphase im Winter, die diese
Gefahr ein wenig mindert. Trotzdem - die vielen Testtage gehen an die Substanz, schließlich fahren wir im
Schnitt über eine Stunde zum Testplatz. Reine Fahrtzeit - Test planen, Testequipment zusammenstellen und auf
Vollständigkeit überprüfen, dann alles inklusive Fahrzeuge verladen, das ist alles noch nicht eingeplant. Und
dann geht es in aller Herrgottsfrühe los und spät zurück, um das Sonnenlicht optimal zu nutzen. Oft bleibt man
gleich mehrere Tage am Stück am Testplatz und sucht sich einen nahegelegenen Campingplatz, um den logistischen
Aufwand zu mindern und die Testeffizienz zu steigern. Die Testmonate zwischen Mitte Mai und Ende Juli sind
eine anstrengende Zeit!
Aber auch eine Zeit, die Anekdoten en masse produziert und die das Team zu einer Einheit zusammenschweißt. In
dieser Zeit testet man auch mit anderen Teams zusammen und fährt zu den Vorbereitungsevents, die einige Firmen
für die Teams organisieren. Und so lernt man in dieser Phase nicht nur das eigene Team kennen und schätzen,
man trifft auch auf andere Teams aus der ganzen Welt: In meiner Saison waren wir mit den Teams aus Berlin,
Karlsruhe, Zürich, Kassel, Augsburg, Delft, Pittsburgh und noch vielen mehr Testen und haben Erfahrungen
ausgetauscht. Alles in allem eine geniale Zeit und eine wunderbare Vorbereitung auf die Wettbewerbe... Doch
bevor die kommen können, gibt es noch Arbeit!
Die statischen Disziplinen Engineering Design, Cost Report und Business Plan benötigen viel Vorbereitung, um
die Punkte beim Wettbewerb zu sichern. Die Konstrukteure müssen auf Englisch ihre technischen Lösungen
verteidigen und ihre Kostenkontrolle rechtfertigen; im Business Plan muss ein schlüssiges Geschäftsmodell für
ein fiktives Projekt präsentiert werden, die perfekte Spielwiese für Studenten der wirtschaftslastigeren
Bereiche. Dieser Teil der Vorbereitung muss quasi "nebenbei" laufen, denn das Wetter und die Testplatzbesitzer
lassen uns oft nicht die freie Wahl. Dass wir auch dieses Jahr wieder eindrucksvoll belegen konnten, dass uns
dieser Spagat gelungen ist, freut mich besonders.
Wenn sich der Juli dem Ende zuneigt, geht es auf die Wettbewerbe - wir nennen sie Events - zu. Hockenheim, die
Formula Student Germany, steht für uns fast immer als erstes auf dem Plan und ist auch gleichzeitig unser
"Heimspiel": Hier sind alle Sponsoren, Familie zu Besuch, hier geht es hoch her und es gibt außer mit Glück
nachts keine ruhige Minute. Von Montag bis Montag sind wir dort. Das Event beginnt mit einer detaillierten
technischen Abnahme - Sicherheit wird sehr groß geschrieben in der Formula Student, Tendenz auch weiterhin
steigend. Dann folgend die Statics, die statischen Disziplinen, wo man auf den Punkt die Erklärungen, Daten,
Pläne - kurz gesagt, das gesamte ingenieurswissenschaftliche Vorgehen - darlegen und die Jury davon überzeugen
muss. Wo man in 10 Minuten einen Investor überzeugen muss, dass die eigene Geschäftsidee das Investment Wert
ist. Wo man ausgefuchsten Controllern glaubhaft machen muss, dass man bei der Kostenanalyse an alles gedacht
hat und ökonomisch vorgegangen ist bei der Fertigung. Doch das ist natürlich bei weitem noch nicht alles.
In den dynamischen Disziplinen wird dann um die Wette beschleunigt, die Querbeschleunigung ermittelt und
natürlich Rundkurs gefahren. Wir fahren dabei nie Rad an Rad, sondern immer gegen die Uhr - auch dem
Sicherheitsaspekt geschuldet, allerdings macht es den Wettbewerb auch sauberer. Eine zusätzliche Hürde sind
die Kurse selbst: Unsere Autos fahren durch enge Pylonengassen und erhalten empfindliche Zeitstrafen für jede
umgeworfene Pylone. Nach Acceleration (Beschleunigungsrennen), SkidPad (liegende Acht, Querbeschleunigung) und
AutoCross (eine Runde schnell auf Zeit; "Qualifying") geht es im Endurance noch einmal um alles. 40% der
insgesamt möglichen Punkte sind von dieser Disziplin abhängig - davon, ob das Auto eine Distanz von 22km mit
einem Fahrerwechsel nach der Hälfte schafft oder nicht. Auf der Tribüne herrscht ein Mischung aus Jubel,
Spannung und Enttäuschung, je nachdem, in welches Camp man schaut. Es ist eine Gefühlsachterbahn für all
diejenigen, die hier ein Jahr lang alles gegeben haben, um hier dabei zu sein!
Schließlich wird aus der im Endurance gefahrenen Strecke auch noch die Energieeffizienz ausgewertet und mit
Punkten belohnt, bevor dann am Sonntag Abend zusammengerechnet wird. Bei der Siegerehrung werden alle
Disziplinen einzeln gekürt und dann das Gesamtergebnis bekanntgegeben, quasi als Überleitung in eine
gigantische Party mit über 3500 Studenten von 120 Teams aus 36 Ländern weltweit (Zahlen 2015), bei der sich
alle nochmal gemeinsam feiern und die natürlich bis in die frühen Morgenstunden anhält. Denn, um es mit den
Worten von Tim Hannig, des Vorsitzenden des Formula Student Germany Organisatorenteams zu sagen: "Jedes Team,
das es geschafft hat, hier mit einem Fahrzeug anzutreten, ist schon ein Gewinner."
Nach diesem Spektakel, bei dem in 2015 leider beide unsere Fahrzeuge im Endurance ausgefallen sind, worüber in
dem Moment kaum eines der ansonsten exzellenten Ergebnisse hinwegtrösten konnte, sammelt man sich dann und
resümiert. Aber nur kurz. Denn dann geht es nochmal Testen und zu zwei weiteren Events in Österreich und
Spanien, was beides ruhigere Events im Bezug auf die Zahl der anwesenden Sponsoren und Gäste, aber
nichtsdestotrotz absolute Highlights in unserem Kalender sind. Und wenn man dann aus Spanien zurückkommt und
den Lkw ausgeladen hat, geht es - Sie ahnen es schon - natürlich wieder von vorne los. Schließlich wollen wir
auch dieses Jahr wieder anknüpfen und besser werden!
Auf die Formula Student! Passion Works!
Text von Florian Eich CEO 2015 von municHMotorsport